Pimp-My-Kicker a.k.a. Wham-O-Meter
3. De Rebus Physikalis…
Beschäftigen wir uns vorab mit den physikalischen Grundlagen der Messung an sich. Es gibt zwei Methoden, die Geschwindigkeit eines bewegten Kickerballs festzustellen und wir möchten zunächst eruieren, welche sich am besten für die Messung durch eine elektrische Schaltung eignet.
- Nach der Formel können wir die kinetische Energie des Balles messen und mit seine Geschwindigkeit bestimmen. Die Masse sei für die verwendeten Bälle konstant und muß dem System einmalig bekannt gemacht werden. Wegen der Variable E im Zähler unter der Wurzel besitzt die Messung eine Eigenschaft, höhere Geschwindigkeiten genauer zu messen.
- Nach der Formel können wir die Zeit messen, die der Ball für eine bestimmte Strecke benötigt und berechnen damit direkt die Geschwindigkeit. Wegen der Variable t im Nenner besitzt die Messung eine hyperbolische Auflösung! Langsamere Bäller werden wegen größerem t genauer gemessen als schnelle Bälle.
3.1 Meßmethoden im Allgemeinen
Die Aufgabe einer Messung besteht grundsätzlich darin, eine physikalische Größe (Geschwindigkeit, Temperatur, Lichtstärke, Druck, …) in eine Elektrische (Strom, ultimativ Spannung) umzuwandeln. So kann ein Automat diese sehr einfach je nach elektrischer Signalform verarbeiten. Folgende Tabelle gibt einen Überblick:
Signalform | Verarbeitung mittels |
analoge Spannung: | Analog-Digital-Wandler (ADC), „Abtastung“, „Samplen“ |
Digitale Spannung („Ein, Aus“): | General Purpose Input/Output (GPIO) als Eingang betrieben |
Pulsweitenmodulierte Spannung: | Zähler mit Interrupt, „Input-Capture-Mode“ |
Serielle Daten: | Geeignete Schnittstelle (UART, SPI, I2C, 1-Wire,…) |
3.1.1 Piezo-Sensor
Die erste Idee war, einen Piezosensor, der aus Druckänderung eine analoge elektrische Spannung erzeugt, an die Rückwand des Tores zu montieren und die so vom eintreffenden Ball erzeugte Spannung über einen Messverstärker zu ermitteln. Wir würden so die Energie des eintreffenden Balles ermitteln.
Der Vorteil dieser Lösung liegt sicher in der geringen Anzahl der nötigen Bauteile und in der Einfachheit der Schaltung zur Messung, ein simpler Messverstärker würde ausreichen.
Für unseren Kicker ergeben sich allerdings einige Nachteile:
- Die mechanische Befestigung ist sehr schwierig; unsere Rückplatte besteht aus einem stabilen Blech, das an mehreren Punkten verschraubt und zudem noch gebogen ist. Es wäre sehr schwer, dort den Piezosensor geeignet zu montieren.
- Elastischer Stoß: Nachdem der Ball möglichweise nicht seine gesamte Energie am Blech verliert, inbesondere bei schrägem Einfallswinkel oder bei wieder Herausspringen des Balls, wäre die Messung relativ unzuverlässig und ungenau.
- Ist der Ball zu langsam und berührt das Blech möglicherweise gar nicht („Kullerball“), so würde der Sensor überhaupt nicht auslösen.
- Leider kann man keine unterschiedlich schweren Bälle (welche zum Fischen und welche zum Bolzen) benutzen, da die MAsse konstant sein muss.
3.1.2 Webcam
Die nächste Idee kam von einem Kollegen aus der Videobearbeitung; er schlug vor, einfach eine Webcam über den Kicker zu montieren und den Ball durch Tracking nachzuverfolgen. Die Größe des Tischs ist bekannt und die Bildrate der Kamera ebenso. Somit können wir dynamisch zur Laufzeit berechnen, wievielen Metern ein Pixel auf der Kamera entspricht, und können aus dem zurückgelegten Weg des Balles pro zwei Kamerabilder seine Geschwindigkeit berechnen – und das ununterbrochen. Die Größe und Masse des Balles müssen nicht bekannt sein.
Eine Reihe von Vorteilen spricht für diese Lösung:
- Sie ist preiswert: PC mit Bildschirm zur Anzeige kostest fast nichts mehr, genau so wie eine USB Webcam. Wir hätten beides sogar auf Halde gehabt.
- Fast unbegrenzte Features dank Netzwerkanbindung möglich.
- Möglicherweise automatisches Erfassen von Torschützen, falls die Software erkennen kann, an welchen Männeken der Ball zuletzt anstieß.
- Geschwindigkeit des Balles kann kontinuierlich berechnet und angezeigt werden.
- Größe und Masse des Balles spielen keine Rolle und können dynamisch geändert werden (Spiel mit unterschiedlichen Bällen im gleichen Spiel).
Allerdings gibt es auch ein paar Dinge zu bedenken:
- Qualität der Kamera: Bewegungsunschärfe, hängt von der Beleuchtung / Belichtung ab.
- Mehrere Bälle im Spiel (was wir durchaus auch mal machen) müssen zuverlässig erkannt werden.
- Manchmal sind Spieler über den Tisch gebeugt, die Kamera erkennt dann den Ball eventuell nicht mehr.
- Der Unterschied zwischen Abprallen an der Bande und Zurückspringen aus dem Tor müßte zuverlässig erkannt werden. Das halte ich für den schwierigsten Punkt, nach unserer Erfahrung beim Spielen kann das nur durch direktes Beobachten des Tores sicher festgestellt werden.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass von uns keiner Ahnung von Bilderkennung und Tracking hat, es wäre aber sicher ein interessantes Projekt.
3.1.3 Lichtschranke
Last but not least – die Lichtschranke. Im Prinzip ganz einfach, an jedem Tor wird eine angebracht; bei Eintritt des Balls wird die Zeit der Unterbrechung gemessen und mittels des bekannten Balldurchmessers direkt die Geschwindigkeit berechnet.
Vorteilhaft sinf dabei die folgenden Punkte:
- Sehr präzise Messung: Die Abschattung des Fotodetektors findet nur im Tor selbst statt, was außerhalb geschieht, spielt für die Messung keine Rolle.
- Sicheres Erkennen eines Tors: Selbst wenn der Ball wieder herausspringt, kann durch die Messung einwandfrei ein Treffer belegt werden.
- Relativ einfacher Systemaufbau: Die Zeit einer Lichtschrankenunterbrechnung zu nehmen ist trivial.
Zu den Schwierigkeiten zählen die hier gelisteten Dinge:
- Fremdlichteinfluß: Der Kickerraum ist normalerweise hell erleuchtet von Kunst- oder Tageslicht. Das darf die Messung nicht beinflussen.
- Montage: Die Lichtschranke muss weit genug hinter der Torlinie montiert sein, damit ein Treffer nur bei entsprechender Position des Balles gewertet wird.
- Die empfindlichen Bauteile der Lichtschranke müssen gut geschützt montiert werden, damit der Ball sie nicht beschädigt.
- Lichtschranken an sich: Der Schattenwurf des Balles muss auf den Detektoren möglichst scharf abgebildet sein, um Prellen wie bei Tastern zu vermeiden.
3.1.4 Fazit
Mir erschien die Methode der Lichtschranke am zuverlässigsten und am wartungsfreundlichsten. Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, ist auch die Lichtschranke nicht ganz so einfach zu realisieren, bietet aber auch für Hobbybastler keine allzu großen Herausforderungen. Nachfolgend die Beschreibung des konkret konzipierten Meßsystems.
3.2 Lichtschranken-Meßsystem
Was wir vorhin vernachlässigt haben ist die Tatsache, dass der Ball verschiedene Eintrittswinkel haben kann. Im günstigsten Falle fällt er direkt lotrecht zur Torlinie ein; unsere Lichtschranke würde damit die korrekte Geschwindigkeit ermitteln. Leider passiert das nicht allzu oft. Schräge, sogar bis hin zu parallel verlaufenden Bällen, die dann ins Tor fallen, sind keine Seltenheit; wir müssen das berücksichtigen. Eine einzige horizontale Lichtschranke aber würde nur die Vorwärtskomponente erfassen können. Zeit, das System zu verbessern. Danke an dieser Stelle an Dr. Thomas Stibor, der die entscheidende Idee hatte.
3.2.1 Theorie erweitert – Aus 1 mach n…
Diese besteht darin, die Zeit zu messen, die der Mittelpunkt des Balles eine Lichtschranke unterbricht, oder auch, die er braucht, um die Strecke s (Durchmesser des Balles) zurückzulegen. Denn das ist unabhängig vom Einfallswinkel! Egal aus welcher Richtung der Ball kommt, wenn ich immer die Zeit des Mittelpunktes messen kann, erhalte ich stets seine Geschwindigkeit unabhängig von der Richtung. Die folgenden Animationen hier verdeutlichen dies.
Um den Mittelpunkt möglichst genau zu erfassen, werden wir deswegen statt einer horizontalen Lichtschranke möglichst viele vertikal ausgerichtete montieren. Halten wir fest:
- Die Lichtschranke, über die der Mittelpunkt hinweggeht, wird unabhängig vom Einfallswinkel immer am längsten unterbrochen, aber nicht immer zuerst (siehe 2. Animation)!
- Die Lichtschranken müssen möglichst dicht beieinander stehen, damit der Ballmittelpunkt möglichst nah an einer vorbeikommt, siehe Animationen.
- Der Worst-Case ist, wenn der Ballmittelpunkt exakt zwischen zwei Lichtschranken durchgeht. Damit würde das System sowohl bei Ein- wie auch Austritt an der Lichtschranke zu wenig messen, siehe nächstes Kapitel.
3.2.2 Genauigkeit
Wie angesprochen ergibt sich ein Meßfehler, wenn der Ballmittelpunkt nicht exakt über genau einem Lichtschrankenmittelpunkt überläuft. Wir können diesen über einfache geometrische Zusammenhänge ermitteln, die Grafik links dient der Veranschaulichung.
Die beiden roten Punkte stellen zwei benachbarte Lichtschranken dar.
Sei r der Radius und damit der halbe Durchmesser der Kugel. Sei weiterhin a der halbe Abstand zwischen den Lichtschranken. Es gelten damit folgende Formeln:
- und letztlich:
Mit unseren Zahlenwerten ergibt sich x zu:
Wir multiplizieren mit 2, da vorne und hinten falsch gemessen wird:
Und erhalten den maximalen Messfehler f in Prozent mit:
Anmerkung: Die Rechnung wurde mit den exakten Werten durchgeführt.
Wir könnten diesen Meßfehler auch kompensieren: Dafür wäre einfach die Zeitdifferenz zwischen den beiden Unterbrechungszeitpunkten der benachbarten Lichtschranken zu messen. Ist sie beispielsweise genau 0, so könnte man daraus schließen, daß der Ball genau in der Mitte von beiden Lichtschranken durchging, weil dann beide zur gleichen Zeit unterbrochen wurden. Verschiebt sich der Durchgangspunkt hin zu einer Seite, so würde die Differenz entsprechend größer.
Man müßte allerdings beachten, dass der Ball auch schräg einfallen kann; in diesem Falle reicht die Differenz nur bedingt aus, der Einfallswinkel müßte dann berechnet werden, aus den Unterbrechungen der anderen Lichtschranken.
Ein Kollege drückte es so aus: „Man kann sich auch verkünsteln.“
8 Kommentare zu “Pimp-My-Kicker a.k.a. Wham-O-Meter”
Sieht ziemlich cool aus. Kann’s kaum erwarten, mal daran zu spielen!
Hi , ich habe mal dein Wham-O-Meter nachgebaut (Einseitig) nur für die Anzeige der Geschwindigkeiten! COOL das Teil. DANKE dir dafür 😉 Ich bin auch ein Kickerfanatiker und E-Techniker u. ich muss sagen das Teil funktioniert recht gut, obwohl Bälle die weiter unten an den Photoempfängern vorbeirauschen langsamer angezeigt werden als weiter oben (Streuung der IR-LED ist Schuld). Hab noch paar Komentare:
bzgl. deiner Ball-Durchmesser-Kalibrierungsfunktion:
-> die läuft zwar, macht aber nix !!!
-> hab die Kalibrierung per hand vorgenommmen. Einfach den
Balldurchmesser eingeben, funktioniert aufgrund der IR-Streuung
nicht korrekt! Ich ließ den Ball öfters durch die Lichtschranke von
ner Höhe h fallen und hab die Geschwindigkeit nach v=sqr(2gh) bestimmt
und verglichen mit der Anzeige. Der wahre Durchmesser ist bei meinem
Ball 35mm u. damit die Aneige stimmt muß ich bei mir D = 27mm eingeben.
bzgl. Die Top-Ten-Liste:
-> Die Top-Ten-Liste sollte vorher schon mit Werten gefüllt werden,
( vielleicht ab 25 Km/h ), da das ständige Eintippen der Rekorde
am Anfang doch schon ziemlich nervt 😉
Nun denn weiter so ! Gruss aus Berlin
Grüße, freut mich ja sehr, dann wärst Du schon der dritte, der’s erforlgreich nachgebaut hat. Wenn du hast, schick gerne Fotos, bau ich dann hier auf die Webseite.
Re 1) Ok, das kann sein. Ist wohl eher eine Spielerei, wobei es bei mir funktionierte…
Re 2) Ah richtig, es kommt wirklich auf die IR-Strahlen drauf an. Wir hatten dann noch Strohhalme drübergestülpt, um die Streuung zu verbessern. Du könntest auch mal schauen, ob die LEDs richtig auf die Transistoren ausgerichtet sind…
Re 3) Gute Idee, dazu wäre einfach im EEPROM-Initial-Wert (bei dem Array) statt 10x “ “ ein passender Wert einzutragen, z.B. 10x „CPU“ mit eben 25,00km/h. Das kannst sogar selbst machen und dann flashen.
„Nur einseitig???“ Spaß machts doch erst mit zwei LCDs =) Cheers
Hallo Christoph,
ich habe mal wieder Zeit gefunden und habe mein Kicker um eine zweite Anzeige erweitert. Mein Bruder will jetzt auch einen Wham-O-Meter 😉 Deshalb hab ich hier wieder reingeschaut und mich gewundert, dass du so schnell geantwortet hast auf mein Kommentar von letztem mal 😉 Da bin ich etwas langsamer ;(
Das mit den Initialwerten im EEPROM hatte ich natürlich auch so gemacht. Auch deine Idee mit den Strohhalmen hatte ich in etwas massiverer Form siehe Bilder) LG Waldemar
Hey, größten Respektfür das, was ihr geleistet habt. Ich bin total neidisch darauf und würde es gerne nachbauen. Leider bin ich ein absoluter Anänger und stehe mit der Fertigung der Platinen vor einem Problem. Könnt ihr mir da vielleicht eine Anleitung zur Fertigung geben, die für absolute dummies ist?
Liebe Grüße!
Grüße, Danke erst einmal. Also, dann würde ich Dir den PCB-Pool empfehlen, der macht super Platinen. Sich das selbst beizubringen für so ein großes Projekt ist vielleicht etwas viel. Ansonsten existieren im Internet dutzende Anleitungen, eine Suchmaschine Deiner Wahl hilft Dir unter dem Stichwort „Platinen ätzen“ weiter. Cheers, Christoph
Ui, habe mir gerade dazu Videos angeguckt und sehe, dass das sehr schwierig werden wird… Eine weitere Sache: ich möchte dieses Projekt mit einem Arduino verwirklichen, der hat aber keine 24 Ports. wie habt ihr das Portproblem gelöst ?
LG
Grüße, hm, also wie ich soll ich das schonend verpacken… Eventuell ist so eine komplexe Sache für den Einstieg in die Mikrocontroller-Welt etwas viel. Mit dem Arduino-Ökosystem kenne ich mich nicht so gut aus, kann Dir also nicht garantieren, daß die Firmware, die aus den Sketches erstellt wird, auch wirklich schnell genug für das genaue Zeitmessen ist. Zu Deiner Frage: Der Mega644 hat die entsprechende Anzahl an GPIO-Pins mit Pin-Change-Interrupts, deswegen hatten wir damals kein Problem 🙂
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