Im Stehen enteiert oder weswegen Herr zu Guttenberg gegangen wurde…

Inhaltsverzeichnis

 

1. Vorwort Inhalt

Revolution! Nicht mehr und auch nicht weniger ist in den vergangenen Tagen und Wochen in diesem Land passiert. Würde ich das politische Trauerspiel der letzten Jahrzehnte mit Josef Haydns Symphonie Nr. 94 in G-Dur vergleichen, so kam dann vorgestern endlich der lang ersehnte Paukenschlag, der die Zuhörer aus ihrer Lethargie reißt und die erste Halbzeit verkündet.

Doch halt: Worum geht es denn, was ist Thema dieses kleinen Aufsatzes?

Keine Frage, selbstverständlich die urplötzliche und recht überraschende Abberufung unseres Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg von seiner politischen Karriere. Dieses bahnbrechende Ereignis stellt eine derart große Zäsur in der deutschen Geschichte dar, daß es durchaus angebracht ist, in die Ereignisse der letzten Zeit, vor allem in mögliche Hintergründe, näher Einsicht zu nehmen.

Vorausschicken sollte der Autor vielleicht noch, daß er dank schreiendem Desinteresse absolut nicht medial vorgebildet ist, kein Fernsehen, kein Radio und keine Onlineausgaben von irgendwelchen Käseblättern mehr. Lohnt sich einfach nicht.

Auch wollte ich eigentlich die Kategorie „Politik“ in diesem kleinen Fleckchen des Internet abschaffen; ist seit Jahren schon nichts berichtenswertes mehr passiert. Liebes Deutschland, Danke Dir, Du hast sie gerettet.

2. Zwischenwort Inhalt

Was ist passiert? Nun, der Gute Herr zu Guttenberg hat in seiner (?!) Dr.-Arbeit Stellen einkopiert, ohne die Quellen zu nennen; glaubt man dem allseits bekannten Plagiats-Wiki, so waren es viele hundert Einträge. Ein, wie ich einmal behaupten möchte, im wissenschaftlichen Umfeld bekanntes Vorgehen, wurden doch schon einige Kandidaten beim Abschreiben erwischt.

Wie würde ich das bewerten? Ist es tatsächlich so einen Rummel wert, auf seine Abkupferei oder die seines Ghostwriters derart viele Argus-Augen zu richten? Ich weiß es nicht. Die Wissenschaft argumentiert mit dem Verfall des Doktortitels, aber mal ganz ehrlich:

  • Dr. h.c.’s werden Industrieleuten nachgeschmissen, wenn sie nur eine Vorlesung an der Uni halten. Lieber Herr Guttenberg, hätten Sie’s doch noch ein paar Jahre ausgehalten, wäre das auch Ihnen passiert. Gott, was halte ich Sie für dumm und beratungsresistent.
  • Die Rocket-Science, die in meinen Augen tatsächlich einen Dr.-Titel wert wäre, wird heute nur noch von sehr sehr wenigen Menschen und Gruppen betrieben; es ist einfach schon so viel vorhanden. Und gerade in den Rechtswissenschaften, was soll ich da noch erforschen? Wir hatten schon großartige Philosophen und Querdenker, die sich mit einer Vielzahl von Regierungsformen und Gesetzgebung und Gewaltenteilung beschäftigt haben. Viel neues wird da nicht mehr dazukommen und mit „Wissenschaft“ hat es in meinen Ingenieursaugen wirklich nichts zu tun! Ich zähle mich selbst übrigens auch nicht zu den Raketenwissenschaftlern.
  • Dr.-Titel werden sowieso schon inflationär vergeben: Für die Medizin beispielsweise reicht das Durchführen einer Studie mit 20 Patienten, eine Arbeit, die jedes größere Krankenhaus täglich zweimal in unterschiedlichen Bereichen abhandelt.
  • Warum benötigt man den Titel denn außerhalb der Universität? Ein Mensch ist doch nicht mehr wert, nur weil er 2 Buchstaben mehr vor’m Namen stehen hat. Er wird doch auch weiterhin nach seinen Aussagen und Aktionen bewertet werden.

Alles in Allem denke ich, dass sachlich kein Grund für die Furore bestand. Zumindest nicht Herrn Guttenberg gegenüber.

Wem ich allerdings die Bude einheizen würde, das wären der Dr.-Vater und die Prüfungskommission. Denn daß eine Arbeit vor Annahme nicht auf Herz und Nieren geprüft wird, und sei es nur stichprobenartig, ist i.m.o. der einzige Grund, aus dem die Wissenschaft verfallen könnte. Gut, daß es keine Naturwissenschaften oder sogar Engineering betroffen hat; hätte mich wohl auf die Palme gebracht.

Aber Schwamm drüber, Herr zu Guttenberg mußte nicht wegen seiner vergeigten Arbeit gehen; nein, es kommt viel besser.

3. Unwort Inhalt

Meiner Meinung nach ist Herr Gutenberg einfach der Sündenbock für die unzähligen Verfehlungen, die jede Bundes- und vielleicht auch Landesregierung sich geleistet hat, seitdem Herr Kohl zu Ende ging und unsere Träume seiner blühenden Landschaften wie Seifenblasen nach und nach zerplatzten.

Die selbsternannte politische Elite, die seit dem Ende des Krieges im Prinzip in Deutschland eine unbefleckte und äußerst nahrhafte Petrischale vorfand, und deswegen eigentlich nie fehltreten konnte, in der sich Schwarz und Rot die Balance hielten, in der Aufbruch und Vorwärts vermittelt wurden, kommt schon seit Jahren mit den stark veränderten Gegebenheiten unserer Zeit und unseres Planeten nicht mehr mit.

Erinnern wir uns:

Vor 50 Jahren lag der Fokus noch unverkennbar auf Binnenpolitik, es galt, ein Land wieder aufzubauen, es galt, diesem Planeten zu beweisen: Eigentlich sind wir nicht die teutonischen mordenden Wikinger, für die wir vor kurzem noch gehalten wurden. Nein, schau her lieber Planet, was wir alles voran bringen, wenn wir nur müssen.

Das sogenannte Wirtschaftswunder entstand; bei uns in Deutschland, so wie es auch überall sonst entstanden wäre, hätte sich das jeweilige Volk nur entsprechend motiviert. Und Motivation gab’s bei uns genug.

Auch unsere Regierungen, unsere Ältesten, konnten sich in jahrelangem Training und Auseinandersetzen mit Alltäglichem sehr gut mit unserer überschaubaren Situation identitfizieren. Klar, ein Volk läßt sich sehr leicht in eine Richtung führen, in die es möchte – für die Politik ein Selbstläufer. Die aufgeblasenen Scharmützel im Bundestag zwischen Arbeitern und Elite, dem modernen Plebs und Adel eben, waren systembedingt und eine Art Unterhaltung für die Massen. Es lief sehr gut für unser Land, wir stiegen wieder im Ansehen; „die Welt“ belohnte uns für unsere Mühen, wir konnten uns wieder zeigen.

Wir jungen Menschen sind grundsätzlich mit Vorhandenem unzufrieden, und suchen immer alternative Wege; „die 68er“-Proteste. Musik spielte wohl eine wesentliche Rolle, und Veränderung in Richtung „green politics“ brachten sie auf jeden Fall hervor; im Nachinein halte ich das Treiben von damals für gut und notwendig, obwohl ich selbst wahrscheinlich noch nicht einmal in Planung war.

Zurück zur Geschichte: Denn dann geschah etwas, das viel verändern sollte; eben diese freundliche Welt, diese Vielzahl an unterschiedlichen Kulturen und Völkern, begann es uns nachzutun, und wurde bald ebenso gut wie wir, manchmal sogar besser. Deutschland war trotz der Marke „made in germany“ nicht mehr die allseits beachtete Nummer Eins des Planeten.

Verwundert und langsam auch desillusioniert wandte sich das Volk in die einzige Richtung, die es kannte, nämlich nach oben. Wir brauchten keinen neuen Führer, nein, wir brauchten einen Vater. Eine Rolle, die ein Herr Schmidt (vor dem ich sehr großen Respekt habe, trotz  seiner Äußerungen über junge Menschen, die in der Politik nichts verloren haben) nicht mehr übernehmen konnte.

Der richtige Mann kam damit im richtigen Moment, die Ära Kohl begann. Obwohl ich die Geschichte damals selbst nicht mitverfolgt hatte, kann ich aus heutiger Sicht hauptsächlich aufgrund unzähliger Dialoge mit Zeitzeugen doch zu der Ansicht gelangen, daß Herr Kohl Deutschland erfolgreich vereint (leider nicht geeint; das wird vielleicht auch nicht mehr passieren) und auch sonst unglaubliche Leistungen erbracht hat.

Herr Kohl vermittelte Zuversicht, viele Jahre lang, und kittete Brüche mit Verbündeten in Ost und West; wir Deutsche konnten  unseren Ruhm und unseren aufkeimenden Stolz noch eine Weile lang behalten und auskosten, bis eben enthüllt wurde – wie es die Prinzen ausdrücken würden – „das ist alles nur geklaut“. Einmal so ge- und enttäuscht ist das deutsche Volk (allen voran „die Medien“, die im Prinzip die öffentliche Meinung nicht nur erfassen, sondern als einzige aktiv gestalten) seitdem niemals wieder bereit gewesen, einer Führungsperson das notwendige Vertrauen entgegenzubringen.

Das schlägt sich natürlich in der Auswahl der Kandidaten nieder. Ob Schröder, Stoiber oder Merkel, keine Person des politischen Rampenlichtes hat meiner Meinung nach an Herrn Kohl und seine Verbindung mit uns Menschen heranreichen können.

Verstehen Sie mich richtig: Ich bin absolut kein Anhänger dieses kleinbürgerlichen Schwergewichts, der sich trotz seiner politischen Leistungen und seiner Verantwortung als Erster Bürger des Staates hinstellt, und einer Bestrafung entgeht mit den Worten „ich habe ein Versprechen gegeben“. Hätte ich zu entscheiden gehabt, hätte ich Herrn Kohl des Landes verwiesen; die Bresche, die er damit in den Damm der Gemeinsamkeit geschlagen hat, ist nicht wieder zu flicken; im Prinzip kann nun jeder Teilnehmer unserer Gesellschaft das gleiche Recht für sich in Anspruch nehmen und sich ebenfalls auf Versprechen berufen. Das Verhalten des Herrn Kohl halte ich nicht nur für unverantwortlich und egoistisch, sondern vor allem für verfassungswidrig.

Lieber Herr Gutenberg, warum promovieren Sie in einem zweiten Aufsatz nicht einfach über Gesetzestreue und Strafrecht für deutsche Politiker? Hielte ich für sehr untersuchenswert.

Doch weiter im Text; die Schwierigkeiten, mit denen wir seit der Jahrtausendwende immer mehr konfrontiert werden, nicht zuletzt durch die fortschreitende „Globalisierung“ (geiles Wort) sind viel tiefgreifender und weitreichender als das bißchen popelige Innenpolitik, das unsere Volksvertreter gelernt haben und womit sie nicht mal die paar kleinen Dinge hier in den Griff bekommen:

  • Arbeitsmarkt: x Millionen Menschen warten darauf, endlich etwas tun zu dürfen. Sie werden seit Jahren schon von der Politik im Stich gelassen.
  • Umgang mit neuen Techniken: Wohin soll das Internet gehen, wie handhaben wir die Urheberrechtsproblematik?
  • Voraussicht in Sachen Energie: Fossile Brennstoffe, Uran einschließlich, gehen zur Neige und zwar absehbar. Solare Energie als einzige dauerhaft nutzbare Quelle muß das Ziel jeder Energiepolitik sein. Was tun, sprach Zeus…
  • Gesundheitswesen: Wie können wir den enormen Kostenapparat endlich in den Griff bekommen?

Zu dringenden, den Planeten betreffende („globale“) Schwierigkeiten würde ich einmal zählen:

  • Ressourcenknappheit: Wasser geht zur Neige, Ackerland reicht nicht mehr zur Ernährung aller Menschen und Wohnraum (nicht Platz insgesamt) wird durch Raubbau und Umweltzerstörung immer weniger.
  • Europa als Fleckerlteppich der Kulturen und Völker: Gemeinsam regierte Fleckerlteppiche haben in der Vergangenheit noch _nie_ funktioniert; wie soll das in Europa klappen?
  • Finanzprobleme: Banken kommen ihren Aufgaben (Kreditvergabe an Mittelstand und Kleinunternehmer) wegen des Risikos nicht mehr nach, sondern betreiben lieber erträglicheres Investmentbanking.
  • Flüchtlingsströme aus Entwicklungsländern: Wie können wir als EUROPA diesen Menschen unter die Arme greifen? Nicht subventionieren, sondern mit Krediten oder Hilfe zur Selbsthilfe?
  • Kriege in Krisenherden: Was machen wir eigentlich oder noch in Afghanistan? Wer fragt mal im Iran nach, ob der Herr noch bei Sinnen ist?
  • Schere zwischen Arm und Reich: Mit Kapitalismus kommen wir offenbar nicht weiter, wo ist denn die Alternative?

Ich halte aber auch keinen der etablierten von mir und allen anderen Menschen dieses Landes bezahlten Volksvertreter für fähig, auch nur eines der Probleme von oben mit Sachverstand anzugehen. Da liegt eben der Hase begraben, ich kann zwar Politik studieren; aber nicht den Job des Politikers. Ist in keinem anderen Beruf der Fall, überall sonst werde ich auf der Uni oder Berufsschule auf meine Arbeit vorbereitet; der Politiker hingegen verläßt sich auf seine Berater, gezwungenermaßen.

  • Wo soll sie also herkommen, die Vision der und für die Zukunft?
  • Wer droht denn mal dem EON-Konglomerat mit der Verstaatlichung, wenn nicht endlich die Preise sinken?
  • Wer schreibt denn den Benzinfirmen gesetzlich vor, dass sie nur noch einmal pro Woche ihren Preis nach oben korrigieren dürfen? Mensch, was könnte ich so Transparenz schaffen.
  • Wer lebt denn den Bundesbürgern Zurückhaltung, Rücksicht, Offenheit und Vernunft vor?
  • Wer vermittelt uns Volk denn mal: Liebe Bürger, lassen Sie uns dieses Land wieder auf Vordermann bringen?
  • Wann endlich bekommen wir Entscheidungsträger, die nicht aus Selbstsucht, Machtbedürfnis und Egoismus heraus handeln, sondern wieder das Wohl Deutschlands im Sinne haben?

Frau Merkel? Herr Schröder? Oder irgendein anderer dieses Kabinetts??? Wohl kaum.

Und nachdem der Fisch vom Kopf aus stinkt, sollte man meinen, dass sich nichts mehr ändern wird, dass eine Frau von der Leyen ihre Webzensur durchbekommt, und eben ein Herr zu Guttenberg ungesühnt copy&paste betreibt.

Sollte man meinen, zum Glück gibt es da das kleine gallische Dorf, das noch immer Widerstand leistet.

4. Weiterwort Inhalt

Ich spreche von den 2% Menschen in Deutschland, die in unterschiedlichen Bereichen von Kunst, Kultur und Wissenschaft das Land aktiv, aber meist im Hintergrund voranbringen. Ich spreche von den Menschen, die sich an bildenden Einrichtung tagtäglich den Arsch aufreißen, um anderen Interessierten etwas beizubringen oder auch in ihrer Firma die Herausforderungen aktiv angehen und „made in Germany“ vorleben und umsetzen. Und ich spreche von den Menschen, die für sich in Anspruch nehmen, auf die Arbeit, die sie leisten, auch wahnsinnig stolz zu sein.

Ich spreche von der akademischen Gruppe unseres Landes.

Über Jahre hinweg haben wir Kreativen dieses Trauerspiel weitgehend schweigend und gleichmütig ertragen; aber nicht mehr. Ähnlich der schallenden Ohrfeige, die die Netzgemeinde, sprich Menschen mit Ahnung, der Frau von der Leyen meiner Meinung nach vollkommen zu Recht verpaßt hatte, ein Kuriosum, das es so noch nicht gegeben hat, mußte nun auch Herr zu Guttenberg erfahren, wohl stellvertretend für alle anderen Damen und Herren Politiker, mit welcher Gewalt ein Faß überläuft.

Wir akademische Elite nämlich, die wir uns in allen unseren Fachbereichen mit den Fragen für die Zukunft beschäftigen und Vorschlag über Vorschlag präsentieren und Lösung über Lösung, mußten jahrelang mit ansehen, wie unsere Arbeit von den Entscheidungsträgern zum Wohle Weniger mit Füßen getreten wurde; wie soziale Marktwirtschaft in eine Art Imperialismus überführt wurde, wie unsere ganzen technischen Erfindungen und Errungenschaften, allen voran das Internet, von kleinkarierten, selbstorientierten und vor allem unqualifizierten Menschen zerfleddert wurde, wie Kreativität in der bildschaffenden und musikalischen Kunst tagtäglich ignoriert wird.

Nicht mehr! Diese angestaute Wut, diese Entrüstung über derartiges Fehlverhalten hat sich endlich entladen. Und nicht nur das, zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands, hatte sie auch reale Konsequenzen. Ich muß ehrlich gestehen, so schade es auch für Herrn zu Guttenberg und seine Vorhaben oder Karriere ist, daß mir dieses Thema eine große Genugtuung bereitet.

Alle, die sich fragen, ob dieses Land denn überhaupt noch eine Zukunft hat, können wieder aufatmen und mit neuem Tatendrang darangehen, Deutschland auf Vordermann zu bringen. Wir sind noch lange nicht am Ende, ganz im Gegenteil, jetzt fängt der Spaß erst richtig an!

5. Nachwort Inhalt

Es bleibt zu hoffen, daß die Regierungen dieses Landes nun endlich aufwachen, daß unsere Medien endlich wieder ihrer Aufgabe als viertes Standbein der Demokratie nachkommen und daß wir alle wieder konstruktiv denken anfangen. Vielleicht wird’s ja noch was mit der Agenda Deutschland.

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